Jeweils im Frühjahr und Herbst boomen sogenannte “Detox” Angebote, sei es als Workshops im Yogastudio oder auch in Verbindung mit Yogareisen oder -wochenenden. Für Viele eine gute Gelegenheit, sich fit zu machen, das Immunsystem in Schwung zu bringen oder einfach etwas Gutes für sich zu tun. Wobei Detox im Grunde nur ein schicker Begriff und eine “abgespeckte” Version für eine sehr traditionelle Angelegenheit ist, den Körper zu entgiften.
Auch ich will nach einer langen, anstrengenden Zeit mit viel privatem Stress und immer wiederkehrenden heftigen Erkältungskrankheiten aufzuräumen, entrümpeln, entgiften. Nicht nur körperlich, nein, ich will mich auch geistig für eine Zeit dem Alltag entziehen und schauen, was belastet mich nur noch, was brauche ich nicht mehr?
Also mache ich mich im Netz auf die Suche nach einschlägigen Angeboten. Als erstes fahnde ich nach Kriterien wie “Yoga und Fasten”, “Fasten und Wandern” und, na klar, “Detox”. Dabei wird schnell klar, dass sich jede Menge Yogalehrer und selbst ernannte Fastenleiter mit dem Thema beschäftigen. Aber ist das alles fundiert und auch medizinisch tragbar? Bei einigen Angeboten scheint es sich eher um Wandern und heißes Wasser trinken zu handeln und dabei in Klosterzellen zu nächtigen. Will ich das? Wie seriös ist das und kann ein methodisch falsch aufgebautes Fasten nicht auch durchaus gesundheitliche Risiken bergen?
Das Fasten ist keine Erfindung von Menschen, auch nicht von Ärzten. Vielmehr stellen Nahrungsverzicht und Essen im Wechsel ein der Natur innewohnendes Prinzip von Polaritäten dar, das uns allen bekannt ist. Ohne Wachen kein Schlaf, ohne Bewegung keine Ruhe, ohne Freude keine Trauer und umgekehrt. Unter diesen Gegensätzen, dieser Spannung, die Energie freisetzt, läuft das gesamte Leben ab. Tiere verzichten in Zeiten, in denen die Umweltbedingungen schädlich sind, auf Nahrung (Winterschlaf) und auch wir Menschen verweigern aus einem guten Instinkt heraus bei Krankheit die Nahrung. Oder zumindest zwischen Abendessen und Frühstück, im Englischen heißt das Frühstück dementsprechend “breakfast”.
Beim Fasten nutzt der Körper einer Müllverbrennungsanlage gleich, angehäufte Depots, um die tägliche Stoffwechselenergie zu erzeugen. Dabei entwickelt der “innere” Arzt ein sicheres Gespür dafür, worauf der Körper verzichten kann und was er ausscheiden möchte. Man liegt vom ersten Fastentag an auf dem “Operationstisch der Natur”, denn das Fasten wird zu Recht als Operation ohne Messer bezeichnet. Jedes Zuviel im System wirkt als Gift. Es sind fettige, verkalkte Ablagerungen in den Blutgefäßen, durch Entzündungen entstandene Eiweißablagerungen und schädliche Verbindungen zwischen Eiweiß und Zucker, die im Körper als Gift, also toxisch wirken.
Den Gedanken von diätischen Richtlinien formulierte schon Hippokrates “Eure Nahrung sei euer Heilmittel, und euer Heilmittel sei eure Nahrung. Die vornehmste und wirkungsvollste Art aber, euren inneren Arzt wirken zu lassen, besteht im Weglassen aller Nahrung, also in der Entsorgung des Körpers von allem Übel und dem damit verbundenen Wachwerden wunderbarer Heilkräfte.” Und auch der Leibarzt von Marc Aurel, der Ordensgründer der Benediktiner, Benedikt von Nursia, Hildegard von Bingen, Roger Bacon und Sebastian Kneipp empfahlen das Fasten.
In Deutschland macht der Marinesanitätsoffizier Otto Buchinger um 1920 nach einer Fastenkur bei dem damals führenden Fastenarzt Gustav Riedlin eine so einschneidende Erfahrung, dass er fortan sein Leben der Fastentherapie widmet und mehrere Fastenkliniken gründet. 1935 erscheint sein bekanntestes Buch “Heilfasten” und 1950 werden Diätik und Fasten Lehrinhalte des Lehrstuhls für Physiotherapie an der Humboldt-Universität in Berlin und finden somit Eingang in die humanitäre Medizin.
Nach einigen weiteren Recherchen entscheide ich mich für eine einwöchige Heilfastenkur in der Malteser Klinik von Weckbecker nahe Fulda. Hier ist das Saftfasten, aus dem ursprünglichen Tee- und Wasserfasten entwickelt, Programm, welches neben dem Molkefasten die geläufigste Fastenform ist. Heilfasten bedeutet den freiwilligen Verzicht auf feste Nahrungs- und Genussmittel für eine begrenzte Zeit. Unverzichtbar ist dabei die reichliche Zufuhr kalorienfreier Getränke und die Förderung aller Ausscheidungsvorgänge des Körpers. Zeitgleich mit meinem Aufenthalt beginnt auch die christlich inspirierte Fastenzeit und so lerne ich nicht nur Menschen kennen, die aus gesundheitlichen Gründen fasten, sondern auch aus einem tiefen seelischen und religiösem Bedürfnis heraus.
In meinem Paket eingeschlossen sind ein ärztliches Check up zu Beginn und am Ende der Kur, tägliche Colontherapie (Darmspülung) nach einem besonders “angenehmen” Verfahren sowie Kneippsche Anwendungen, eine therapeutische Massage, Ergometrie und viele zusätzliche Bewegungs- und Gesprächsangebote neben medizinischen und ernährungstechnischen Vorträgen und Kurse. Ergänzt wird das Ganze durch eine aus- und einladende Saunalandschaft sowie zusätzlich buchbaren therapeutischen Behandlungen. Und das alles direkt am Waldrand in der schönen Rhön gelegen, nahe dem sehr sehenswerten klassizistischen Staatsbad Bad Brückenau.
Das anfängliche Arztgespräch ist sehr ausführlich, einfühlsam und kompetent. Und auch im Folgenden fühle ich mich immer wieder vom medizinischen, therapeutischen und vom Servicepersonal fürsorglich behandelt und gut aufgehoben. In Absprache mit dem Fastenarzt entscheide ich mich zusätzlich zu einer Eigenbluttherapie, um meine chronische Sinnusitis in den Griff zu kriegen und einer Breuss/Dorn Behandlung, um Beschwerden im Rücken entgegen zu wirken.
Ich beginne meinen Aufenthalt am späten Nachmittag mit einem Meditationsangebot und dem “Abendessen” sprich Tee. Der Tag endet für mich mit dem obligatorischen Glas Bittersalz.
Täglich geht es früh zwischen 7 und 8 h mit Kneippschen Anwendungen, Colontherapie und Ergometrie o.ä. los, gefolgt vom Frühstück, das aus einem frisch gepressten Gemüsesaft besteht. Der Vormittag ist ausgefüllt mit Therapie- und Bewegungsangeboten. Nach dem Mittagessen, eine klare Gemüsebrühe, gibt es den “Kartoffelsack”, ein heißer Leberwickel, der den Entgiftungsprozess unterstützt und in eine kurze Mittagsruhe eingebettet ist. Auch der Nachmittag ist mit Anwendungen schnell vorüber oder man nutzt die Zeit für Spaziergänge und kleinere Ausflüge.
Bewegung wird bei von Weckbecker groß geschrieben und man hört immer wieder, daß die Kur nicht mit Urlaub zu verwechseln sei. Das Klientel ist durchmischt und die Beweggründe zu fasten sind vielfältig. Insbesondere aus gesundheitlichen Gründen Fastende berichten mir von erstaunlichen Verbesserungen ihres Zustandes. Ich lerne interessante Menschen kennen, die schon seit Jahrzehnten ein- oder zweimal jährlich 10 bis 14 Tage und auch länger fasten, Profis sozusagen. Im Allgemeinen ist der Altersdurchschnitt jedoch deutlich über 50 und die Gäste scheinen den eher gehobenen
Einkommensschichten anzugehören.

Die ersten 2 Tage habe ich ungewohnt heftige Kopfschmerzen und keiner kann sagen, ob es an meiner abklingenden Nasennebenhöhlenentzündung oder am Koffeinentzug liegt, ein Phänomen, das ich schon aus früheren Fastenerfahrungen kenne. Allerdings sind die Beschwerden so intensiv, daß mir schwindelig ist und ich leichte Sehstörungen habe. Oder brauche ich jetzt langsam doch eine Brille?

Aber dies lässt am 3. Tag nach und ich spüre, wie ich vitaler werde. Ich beginne die Pausen zwischen Anwendungen mit meiner eigenen Yogapraxis zu füllen und nehme, sofern noch Zeit ist, auch gerne Qui Gong, Flexibar und Trommelangebote war. Mit jedem Tag fühle ich mich besser. Meine Erkältungsbeschwerden lassen nach, alles fließt sozusagen (ab). Ich verspüre keinen Hunger, aber muss ungewöhnlich oft an “Snickers” Riegel denken, eine Süßigkeit, die im Alltag in der Regel nicht auf meinem Essensplan steht.

Die Woche vergeht schnell und da ich mit meiner Rückkehr nach Berlin gleich wieder im Alltag stehe, entscheide ich mich, am Abend vor meiner Abreise das Fasten zu brechen. Ich fühle mich “leichter” und befreiter und kann endlich Entscheidungen treffen, die meinen oft stressigen Alltag entlasten werden. Und ich nehme mir vor: Das war dieses Jahr nicht das letzte Mal!

Doch die schönste Bestätigung, genau die richtige Entscheidung getroffen zu haben, macht mir eine Bekannte nach meiner Kur als sie mich sieht: “Was ist denn mit dir los, du siehst aus wie ein junges Mädchen?!”…

Next Post

Related Posts

Blog

Kategorie wählen oder nach Stichworten suchen./Choose a category or search for keywords.

We are using cookies to give you the best experience. You can find out more about which cookies we are using or switch them off in privacy settings.
AcceptPrivacy Settings

GDPR

  • Cookies

Cookies

This website uses Cookies. Please consent to use it.

For more information please visit http://petraschoen.com/impress/